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Technik

Beim Bremsentuning die gesamte Bremsanlage im Blick behalten - Ergänzung zu unserem ersten Beitrag

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Zuerst einmal ist festzuhalten, dass – wie im Beitrag vom 1. Oktober in der Überschrift zu lesen – beim Bremsentuning die gesamte Bremsanlage betrachtet werden muss. Hierbei ist natürlich immer zu berücksichtigen, wie stark einzelne Komponenten verändert werden. Demgemäß sind die anderen Komponenten der Bremsanlage anzupassen. Hierzu folgend einige Ergänzungen zu unserem ersten Beitrag:

Punkt1: Wir bekräftigen, dass ALLE Komponenten einer Bremsanlage beim Tuning berücksichtigt werden müssen.

Punkt 2: Beim Umbau der Vorderachse auf Mehrkolbensättel und der Frage des Überbremsens der Hinterachse halten wir fest: Es sind dabei systembedingte konstruktive Unterschiede zu berücksichtigen.

 

Zu Punkt 1:

Wir stimmen völlig darin überein, dass es wenig bringt, lediglich die Vorderachse auf überdimensionierte Mehrkolbensättel umzurüsten. Es müssen grundsätzlich ALLE Komponenten miteinander harmonieren und gegebenenfalls in ihrer Dimensionierung angepasst werden. Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung der Bremsleistung, vielmehr müssen ebenso Aspekte wie das Pedalgefühl und die Zunahme der Bremskraft Berücksichtigung finden. Denn es nützt die höchste Bremsleistung nichts, wenn sie nicht sauber dosierbar abgerufen werden kann!

Die Abstimmung der Bremsanlage bezieht sich, wie wir bereits geschrieben hatten, auch auf die Größe des Hauptbremszylinders – aber eben nicht nur. Es sind auch die anderen Komponenten zu betrachten. Dies gilt gleichsam für die Förderpumpe im ABS-Modul, die nur eine begrenzte Menge an Bremsflüssigkeit fördern bzw. rückfördern kann. Steigt hier durch den Umbau auf Mehrkolbensättel das Fördervolumen an, verzögern sich die Regelzyklen des ABS zeitlich dementsprechend. Mit anderen Worten ausgedrückt: In der Fahrpraxis verlängert sich bei starken Bremsungen und regelndem ABS (!) der Bremsweg, anstatt kürzer zu werden.

Darüber hinaus muss bei Extremumbauten auch der Bremskraftverstärker in seiner Dimensionierung angepasst werden. Konkreter: Bei Änderungen am Hauptbremszylinder bzw. beim Einbau eines größeren Hauptbremszylinders wird es unvermeidbar, die Leistung des Bremskraftverstärkers im Auge zu behalten und nötigenfalls anzupassen. Hierzu muss unter Umständen eine Unterdruckpumpe zum Einsatz kommen:

Diesen Sachverhalt konkretisiert das Bremsenhandbuch (Hrsg. Breuer/Bill; Verlag Westermann, Auflage 3) auf Seite 316 wie folgt: „Sowohl Pedalgefühl wie auch Leistungsfähigkeit der konventionellen Bremse hängen bei Unterdruck-Bremsgeräten von dem zur Verfügung stehenden Unterdruck ab. Je nach Motorenbauart sind dem Saugrohr-Unterdruck als übliche Energiequelle Grenzen gesetzt, die teilweise durch Unterdruckpumpen aufgehoben werden müssen.“

Ergänzend hierzu sei erwähnt: Der serienmäßige Einsatz von Unterdruckpumpen ist beispielsweise bei den BMW-Fahrzeugen mit Valvetronic notwendig, weil hier systembedingt die Drosselklappe entfällt und damit wie beim Dieselmotor im Ansaugtrakt lediglich ein stark reduziertes Vakuum erzeugt werden kann.

 

Zu Punkt 2:

Tatsächlich hatten wir in unserem Beitrag vom 1. Oktober 2014 den Zusammenhang zwischen Bremsdruck und Bremskraftregelung sehr knapp und letztlich unvollständig dargestellt, weshalb folgend nochmals differenziert darauf eingegangen werden soll. Bei der Frage, wie sich der Bremsdruck an der Hinterachse verändert, wenn die Vorderachse mit überdimensionierten Mehrkolbensätteln ausgerüstet wird, sind mehrere Gegebenheiten bzw. Systeme zu unterscheiden.

Bremssysteme ohne Bremsdruckminderer/Bremskraftregler:

Hierbei gilt unverändert: Wenn statt einem Kolben plötzlich zwei, vier, sechs, acht oder wie viele Kolben auch immer mit dem gleichen Druck beaufschlagt werden sollen, dann ist entsprechend mehr Bremsflüssigkeit vonnöten, um diesen Druck aufzubauen. Dementsprechend fester muss der Fahrer auf die Bremse treten bzw. das Bremspedal tiefer durchdrücken.

Bei einem Umbau auf Mehrkolbensättel lediglich an der Vorderache geschieht es bei einem Bremssystem ohne Bremsdruckminderer/Bremskraftregler demgemäß zwangsläufig, dass an die Räder der Hinterachse überproportional viel Bremsflüssigkeit geliefert wird. Durch den damit viel zu hohen Bremsdruck überbremsen bzw. blockieren die Räder der Hinterachse.

Bremssysteme mit mechanisch-hydraulischem Bremskraftregler:

Zweikreis-Bremssystem
mechanisch-hydraulisches Zweikreis-Bremssystem

Nun sind die meisten für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeuge mit einem mechanisch-hydraulischen Bremskraftregler für die Hinterachse ausgestattet; seit einigen Jahren sogar mit einer Elektronischen Bremskraftverteilung (EBV). Zur Funktion: Der mechanisch-hydraulische Bremskraftregler regelt und begrenzt den Bremsdruck der Hinterachse, um so je nach Beladungszustand des Fahrzeugs und dynamischer Achslastverlagerung ein Überbremsen der Hinterachse zu vermeiden.

Dabei wird bei der Überschreitung eines definierten System-Bremsdrucks der Bremsdruck an der Hinterachse reduziert. Bei älteren Fahrzeugen geschieht dies über ein mechanisch betätigtes Regelventil, das direkt mit der Hinterachse verbunden ist.

 

Bremssysteme mit Elektronischer Bremskraftverteilung (EBV)

Die moderne Bauform des Bremskraftreglers ist die Elektronische Bremskraftverteilung (EBV) (englisch: Electronic Brakeforce Distribution, EBD). Für die Elektronische Bremskraftverteilung musste lediglich die Steuerungssoftware des ABS geändert und erweitert werden. Somit ist das moderne EBV eine direkte Unterfunktion des ABS. Diese elektro-hydraulische Form der Bremskraftregelung bietet gleich ein ganzes Bündel von Vorteilen gegenüber dem alten, mechanisch arbeitenden Bremskraftregler.

 

Die Elektronische Bremskraftverteilung (EBV)

  • arbeitet wesentlich genauer
  • kann die Räder links und rechts unabhängig voneinander regeln
  • ist weniger störanfällig als ein mechanisch arbeitendes System
  • ist sehr viel kostengünstiger
  • verursacht kein zusätzliches Gewicht
  • benötigt keinen zusätzlichen Bauraum

Detaillierte Informationen zur EBV finden sie hier: http://www.at-rs.de/beitrag/items/wo-ist-eigentlich-der-bremskraftregler-geblieben.html

Wir hoffen, mit dieser differenzierteren Darstellung der Zusammenhänge ein wenig Licht in die aufgeworfenen Fragen gebracht zu haben.

Allzeit Gute Fahrt wünscht Ihnen

das Team von AT-RS

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