Nachgeschaut
Bremsenrubbeln ist nicht gleich Bremsenrubbeln

Ursachen für Bremsenrubbeln gibt es viele. Nicht immer sind abgenutzte Bremsscheiben oder -beläge Schuld daran, denn auch mit neu belegten Bremsen kann es zum Bremsrubbeln kommen.
Bremsenrubbeln ist ein altbekanntes Problem, mit dem sich Entwicklungsingenieure seit Jahrzehnten beschäftigen. Die Symptome sind schnell beschrieben: Beim Betätigen der Fußbremse kommt es zu einem Pulsieren im Bremspedal. Gleichzeitig vibriert das Lenkrad, während von den Bremsen deutliche Reibegeräusche zu hören sind.
Das Problem besteht, seit es Bremsen gibt. Das ist auch nicht verwunderlich, denn Bremsen gehören zu den mechanisch und thermisch am höchsten belasteten Bauteilen eines Automobils. Kleine Veränderungen am Material der Reibpartner, altersbedingter Verschleiß oder eine unsachgemäße Montage der verschiedenen Bremskomponenten führen dabei unweigerlich zu Problemen, die sich in einem deutlichen Bremsrubbeln äußern. AT-RS gibt folgend eine kurze Einführung in die Problematik, wobei bewusst auf ingenieurstechnisches »Fachchinesisch« verzichtet wird.
Grundsätzliches zum Bremsenrubbeln
Die Problematik besteht unverändert, obwohl in den letzten Jahrzehnten gerade bei den Bremsscheiben deutlich verschärfte Geometrievorgaben umgesetzt wurden. So betragen die Dickenschwankungen mittlerweile nur noch 10/1.000 mm, während beim Scheibenplanschlag 25/1.000 mm die Grenze bilden. Ins Zentrum rückt dabei der Begriff der »Schirmung«. Unter Schirmung versteht der Fachmann die thermische Verformung der Bremsscheibe während des Betriebs. Da sich die Wärme innerhalb der Bremsscheibe ungleich verteilt, kommt es zu einer thermischen Verformung mit dem Resultat, dass die Bremsbeläge nicht mehr sauber an der Bremsscheibe anliegen. (siehe auch Schirmung im AT-RS.de Bremsen-Fachlexikon)
Eine Schirmung tritt besonders bei dünnen oder verschlissenen Bremsscheiben auf, weil hier einerseits die Stabilität reduziert ist, darüber hinaus die Bremsscheibe nicht mehr ihre ursprüngliche Wärmespeicherkapazität besitzt. Weiterhin tritt die Schirmung besonders bei einteiligen Bremsscheiben auf, weil hier der Temperaturunterschied zwischen Reibring und Bremsscheibentopf besonders groß ausfällt. Damit erklärt sich nebenbei, warum bei Hochleistungsbremsen diese beiden Komponenten thermisch entkoppelt sind.
Heißrubbeln oder Kaltrubbeln?
In der Fachliteratur wird übereinstimmend darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Ursachen für Bremsenrubbeln gibt. Und Bremsrubbeln ist nicht gleich Bremsrubbeln: Zu unterscheiden ist hierbei, ob es sich um »Heißrubbeln« oder »Kaltrubbel« handelt; zudem, ob das Rubbeln bei niedriger oder hoher Fahrzeuggeschwindigkeit auftritt. Ein dritter Aspekt ist die Rubbelfrequenz, die als Symptom ebenfalls eine Aussage über die Ursachen gestattet.
So begünstigen oder verstärken beispielsweise verschlissene Radlager, ausgeschlagene Fahrwerkslager, schwergängige Gleitbolzen der Bremssättel, abgenutzte Bremsbeläge und sogar eine falsche Achsgeometrie die Rubbelneigung. Natürlich spielen die Qualität und der Preis der neu montierten Bauteile ebenso eine Rolle. Wer in Zeiten von »Geiz ist geil« das günstigste Angebot aus Fernost kauft – der sollte damit leben können, dass sich der Preis auch in der Performance der Bremse niederschlägt. Vor der Fehlersuche gilt es somit, erst einmal die Begleitumstände des Bremsenrubbelns zu untersuchen.
Heißrubbeln
Heißrubbeln, auch als »thermisches Rubbeln« bezeichnet, tritt bei betriebswarmer Bremse und höheren Geschwindigkeiten auf. Beim Verzögern macht es sich durch ein pulsierendes Bremspedal und eine vibrierendes Lenkrad bemerkbar. Diese Symptome werden von einem in der Fahrgastzelle deutlich hörbaren Dröhnen (Frequenzbereich zwischen 100 und 250 Hz) begleitet, da die Vibrationen weitere Bauteile zum Schwingen anregen.

Heißrubbeln wird durch partiell überhitzte Bremsscheiben ausgelöst. Die überhitzten Stellen sind auf der Bremsscheibe deutlich als schwarze Flecken (»Hotspots«) sichtbar. Diese Flecken entstehen durch überhitzte Bremsbeläge, deren Material als schwarzer Fleck in die Bremsscheibe einbrennt. Der Fachmann spricht dabei von »Materialübertrag«. Durch diesen Materialübertrag entstehen Zonen mit einem veränderten Reibwert beziehungsweise Reibungsverhalten. Bläuliche Flecken weisen hingegen auf eine Materialüberhitzung der Bremsscheibe ohne Materialübertrag hin.
Sollten sich der Materialübertrag durch Freibremsen nicht beheben lassen, dann muss die Bremsscheibe abgedreht oder ersetzt werden. Diese Lösung liegt ohnehin nahe, da mit einem Abdrehen der Bremsscheibe nicht nur die Symptome beseitigt werden, sondern auch gleich eine der Hauptursachen für die Entstehung des Materialübertrags.
Kaltrubbeln
Das Kaltrubbeln tritt bei jeder Bremsung auf, denn es wird durch andere Einflüsse ausgelöst als das Heißrubbeln. Gleichzeitig ist es deutlich niederfrequenter (5 bis 50 Hz). Verursacht wird das Kaltrubbeln durch eine ungleiche Dicke der Bremsscheibe (DTV = Disc Thickness Variation) oder aber durch einen durch falsche Montage verursachten Scheibenschlag.
Der klassische Fehler ist hierbei unsauberes Arbeiten beim Ersetzen der Bremsscheibe. Dabei sollte jeder Fachmann wissen, dass die Auflagefläche des Bremstopfes auf der Radnabe absolut metallisch sauber und rostfrei sein muss. Selbst ein kleiner Grat oder ein Sandkorn bewirken eine Taumelbewegung der Bremsscheibe, die sich damit bei jeder Radumdrehung am Bremsbelag abschleift und zu einer Dickendifferenz führt.
Grundsätzlich sollte zur Fehlerprüfung der Seitenschlag der Bremsscheibe gemessen, ebenso die Dicke der Bremsscheibe an mehreren Stellen überprüft werden. Damit lässt sich eingrenzen, ob die Taumelbewegung durch eine Verunreinigung der Auflagefläche oder durch eine ungleiche Dicke der Bremsscheibe verursacht wird. Im ersteren Fall müssen die Komponenten nochmals sauber montiert werden; im zweiten Fall lässt sich die Bremsscheibe durch abdrehen wieder planen.
Fazit
Egal, ob schwarze oder blaue Flecken – eine solche Bremsscheibe kann durch Abdrehen weiter verwendet werden. Dies gilt gerade auch für teure Hochleistungs-Bremsscheiben mit Lochung auf der Reibfläche. Natürlich muss dabei die vom Hersteller vorgeschriebene Mindestdicke der Bremsscheiben eingehalten werden. Damit lässt sich ohne Risiko viel Geld sparen. Hierzu konkretisiert Lars Piehl vom Autohaus Kreis in Großenlüder-Müs, das diese Dienstleistung anbietet: »Vor allem blaue Hitzeflecken reichen zum Teil tiefer ins Material hinein. Hier ist beim Abdrehen schnell die Mindestdicke unterschritten und damit die Bremsscheibe nicht weiter verwendbar.«
Wen das Thema Abdrehen von Bremsscheiben interessiert, findet in unserem Beitrag "Bearbeiten von Bremsscheiben und Bremstrommeln" noch weitere Informationen.
So nebenbei: Es soll ja immer noch »Spezialisten« geben, die die Radbolzen Ihres Autos ohne Drehmomentschlüssel nach Gefühl festziehen. Oder aber die mitgelieferten Zentrierringe für ihre Felgen für überflüssig halten. Oder neu eingebaute Bremsen gleich voller Belastung aussetzen, ohne sie einzufahren. Oder aber Bremsen nicht im Fachhandel, sondern im Internet aus unbekannter Quelle kaufen. Wir von AT-RS meinen: Wer sich danach über Bremsenrubbeln beschwert, der braucht sich nicht zu wundern.
In diesem Sinne beste Grüße


Kommentare
Kommentar von Max am
Moin!
Seid ihr Euch sicher beim Thema Schirmung? Thermische Entkopplung bei mehrteiligen Bremsscheiben bringt doch genau den Effekt, dass die Temperatur der Scheibe nicht auf den Topf übertragen wird und dadurch müsste doch der Temperaturunterschied zwischen Topf und Scheibe deutlich größer sein als bei einteiligen Scheiben. Zudem sind mehrteilige Scheiben vermutlich etwas lose miteinander verbunden (ich denke mal ähnlich wie die Floater bei schwimmenden Motorrad-Bremsscheiben), was ein Verziehen vermindert. Oder liege ich da falsch?
Kommentar von Redaktion AT-RS am
Lieber Kommentator,
in der Tat ist es so, dass die Temperatur des Reibrings damit höher wird. Dies muss bei der Wahl der Bremsbeläge berücksichtigt werden.
Da Reibring und Nabentopf jedoch thermisch entkoppelt sind, gibt es zwischen diesen beiden Teilen deutlich weniger Spannungen, die zur Schirmung der Bremsscheibe führen.
Dieser zur Schirmung führende Wärmeverzug ist ein grundsätzliches Problem offener Profile, weshalb es auch bei heißgefahrenen Bremstrommeln zu diesem Wärmeverzug und einem massiven Nachlassen der Bremsleistung (Fading) kommt.
Beste Grüße
Redaktion AT-RS
Kommentar von Norbert Janiszewski am
Hallo at-rs-Team,
ein sehr guter fachlich korrekter Beitrag.
Vielleicht sollten Sie noch darauf hinweisen, dass auch trocken verbaute Bremskolben (z.B. einige BMW-Modelle) bzw. schwergängige Bremskolben mit ausgehärteten Vierkantdichtringen ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Bildung von Dickendifferenzen haben.
Des Weiteren ist zu beachten:
Sollte sich auch bei super gereinigter Radnabe ein zu hoher Bremsscheibenschlag ergeben, dann sollte die entsprechende Radnabe auf Planlaufabweichung überprüft werden. Die Abweichung sollte bei maximal 0,01mm liegen bei rubbelempfindlichen Fahrzeugen sogar bei 0,00 mm liegen. In letzter Zeit fallen immer mehr Fahrzeuge mit verzogen Radnaben verursacht durch allgemeine Nutzung oder unsachgemäßes Anziehen der Räder mit Schlagschrauber auf.