Blickpunkt
Continental MK C1: Abschied vom Bremskraftverstärker

Der Continental-Konzern stellte jüngst zur IAA eine neue Systemkomponente innerhalb der Bremsanlage vor – doch kaum ein Autofahrer nahm davon Notiz. Dies lag vor allem daran, dass nur wenige Autofahrer diese neue, MK C1 genannte Errungenschaft in ihrer Wirkung und Bedeutung erkannten.
Um etwas Licht in die Funktionsweise dieser neuen Komponente zu bringen, „übersetzt“ nun AT-RS das ingenieurstechnische „Fachchinesisch“ in eine für den interessierten Laien verständliche Form. Wie bei den anderen BLOGS von AT-RS, so wird auch in diesem Text der Sachverhalt möglichst einfach und ohne Fremdwörter erläutert.
Bremskraftverstärker wird überflüssig
Grundsätzlich lässt sich feststellen: Bei der neuen MK C1-Bremse sind die Funktionen des Hauptbremszylinders, des Bremskraftverstärkers und der Regelsysteme (ABS, ESC) in einem einzigen kompakten Bremsmodul zusammengefasst. Das spart nicht nur Gewicht und Bauraum, zudem wird der herkömmliche, mit Unterdruck arbeitende Bremskraftverstärker überflüssig.
Da das MK C1-Bremsmodul keinen Unterdruck-Bremskraftverstärker benötigt, kann die heute in vielen Fahrzeugen benötigte Vakuumpumpe als Komponente des Bremssystems entfallen. Das ist ein durchaus wichtiger Aspekt, denn neben Fahrzeugen mit Diesel- und Elektromotor werden heute Vakuumpumpen auch für moderne Benzinmotoren benötigt, bei denen aufgrund der minimierten Drosselung im Ansaugtrakt kein ausreichender Unterdruck zur Verfügung steht.
Funktionsweise
So funktioniert das Bremsmodul: Wenn der Fahrer auf das Bremspedal tritt, erfasst das MK C1-Bremsmodul über eine Druck-, Weg- und Geschwindigkeitsmessung die vom Fahrer gewünschte Bremsleistung. Den für diese Bremsleistung benötigten Druck baut der Fahrer aber nicht mehr mit dem Fuß mithilfe eines Unterdruck-Bremskraftverstärkers auf, sondern er wird von einem im Bremsmodul befindlichen Elektromotor erzeugt. Dieser Elektromotor treibt einen Zylinderkolben an, der die Funktion des Bremskraftverstärkers mit der aktiven Druckmodulation der Schlupfregelsysteme vereint. Unverändert wird dabei die im Hauptbremszylinder befindliche Bremsflüssigkeit unter Druck gesetzt – allerdings unabhängig vom Fuß des Fahrers.
Für ein normales Pedalgefühl, das es dem Fahrer ermöglicht, die Bremse wie gewohnt zu dosieren, sorgt eine in das Betätigungsmodul integrierte Feder/Dämpfer-Einheit. Dabei lässt sich die Charakteristik des Bremspedals und der Bremskraft völlig individuell auf den Fahrstil und das Fahrzeug anpassen, so dass der Fahrer später beispielsweise zwischen Winter- und Sportmodus wählen kann.
Besser und schneller Bremsen
Das MK C1-Modul bietet neben dem geringeren notwendigen Bauraum und dem Verzicht auf einen herkömmlichen Bremskraftverstärker noch einen weiteren Vorteil: Die elektro-hydraulische MK C1 kann deutlich schneller und präziser als herkömmliche hydraulische Systeme den notwendigen Bremsdruck aufbauen. Versuche auf dem Continental-Testgelände in Frankfurt haben gezeigt, dass das MK C1 bei einer elektronisch eingeleiteten Notbremsung eine deutliche Verkürzung des Anhalteweges ermöglicht.
Aber es verkürzt sich nicht nur der Bremsweg, darüber hinaus lässt sich das MK C1 besonders gut in Fahrerassistenzsystemen zur Unfallvermeidung (beispielsweise Abstandsregeltempomaten, Notbremsassistenten) integrieren. Durch diese erweiterten Integrationsmöglichkeiten ist das MK C1 besonders gut kombinierbar mit Bremsrekuperations-Systemen, bei denen ein Teil der Verzögerungsleistung vom Rekuperations-Generator übernommen wird. (siehe hier)
Sicherheit und Effizienz
Das MK C1-Modul beinhaltet darüber hinaus das für die Regelung des Bremsvorgangs notwendige elektronische Steuergerät (ECU) und den Bremsdruck-Modulator, der das zentrale Bestandteil der Schlupfregelsysteme bildet. Sicherheit hat dabei in jedem Fall Priorität, denn selbst bei einem Komplettausfall der Elektronik bleibt die Funktion des hydraulischen Bremssystems bestehen. Um die Pedalkräfte bei einem Totalausfall des Systems niedrig zu halten, veränderten die Ingenieure von Continental den Durchmesser des Tandem-Hauptbremszylinders, so erklärte Nicole Geißler, die Presseverantwortliche von Continental auf Rückfrage von AT-RS.
Weitere Energieverluste werden durch den Einsatz von sogenannten Zero Drag-Radbremssätteln vermieden. Diese ebenfalls neu entwickelten Bremssättel reduzieren die Verluste, die durch das Schleifen der Beläge an den Bremsscheiben entstehen, wenn die Bremse nicht betätigt wird. Die Zero Drag-Bremssättel halten einen größeren Abstand (Lüftspiel) zwischen Belägen und Bremsscheiben, der bei einer normalen Bremsanlage bzw. Bremsbetätigung zu einer für den Fahrer spürbaren Verschlechterung des Ansprechverhaltens und einer Verlängerung des Pedalwegs führen würde. Da beim MK C1 dieses erhöhte Lüftspiel einprogrammiert ist und der Bremsdruckmodulator diesen Mehrweg an den Radbremsen ausgleicht, spürt der Fahrer immer die gleiche Charakteristik am Pedal.
Produktionsstart 2015
Frank Jourdan, Geschäftsbereichsleiter Elektronische Bremssysteme in der Continental-Division Chassis & Safety fasst die Vorteile zusammen: „Aufgrund der gestiegenen Leistung, der Rekuperationsfähigkeit, des erhöhten Komforts und einer kompakten Bauform, kann unsere MK C1 ohne Änderungen auch in Hybrid- oder Elektro-Fahrzeugen eingesetzt werden und bietet damit eine optimale Basis für Fahrzeugplattformen, die diese unterschiedlichen Antriebskonzepte beinhalten. Gleichzeitig führt das aufgrund der Integration reduzierte Gewicht sowie der bedarfsgesteuerte Energieverbrauch zu einer Verbesserung der CO2-Bilanz.“
Das neue Bremssystem bietet ein ganzes Bündel von Vorteilen – gerade angesichts dessen, dass zukünftig immer mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen werden. Gerade hier kann das kompakte MK C1-Bremsmodul punkten, weil es einen per Unterdruck arbeitenden Bremskraftverstärker überflüssig macht. Das Bremsmodul befindet sich bereits in der Phase der Entwicklung für die Serie, der Produktionsstart des serienreifen Continental MK C1 ist für 2015 geplant.
