Technik
Die elektronische Differenzialsperre
Die Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns sind nicht zuletzt für ihre gute Straßenlage bekannt, die Komfort mit Sportlichkeit vereint. Doch gerade bei sportlichen Fahrzeugen, die durchaus auch im Grenzbereich gefahren werden, sind besondere Maßnahmen notwendig, um eben diese gute Straßenlage zu erreichen. Zu diesen besonderen Maßnahmen gehört beispielsweise eine Differenzialsperre – aber die kostet in der Produktion reichlich Geld.
Gerade bei kleineren Fahrzeugen der Kompaktklasse und darunter stellt sich damit schnell die Sinnfrage. Natürlich ist es technisch gar kein Problem, eine teure Differenzialsperre in ein Auto egal welcher Größe zu integrieren; die Frage ist vielmehr, wie viele Kunden bereit sind, dafür einen entsprechenden Aufpreis zu zahlen. Die Sachlage ändert sich jedoch bei neuen Fahrzeugen, für die laut Gesetzgeber seit dem 1. November 2011 ein ESP serienmäßig mit an Bord sein muss. Denn durch den geschickten Einsatz des ESP lässt sich ein mechanisches Sperrdifferential weitgehend simulieren.
ESP mit elektronischer Differenzialsperre?
Zu dieser relativ neuen technischen Entwicklung schreibt der VW-Konzern: „Die Elektronische Differenzialsperre XDS ist eine Erweiterung der bekannten EDS-Funktion. [...] Aus der ESP-Hydraulik gibt XDS Druck auf das kurveninnere Rad, um es am Durchdrehen zu hindern. Damit wird die Traktion verbessert und die Neigung zum Untersteuern vermindert. Das Druckniveau bewegt sich dabei ungefähr im Bereich von 5 bis 15 bar. Der Fahreindruck ähnelt dem einer geregelten Differenzialsperre in abgeschwächter Form. Durch den einseitigen, präzisen Bremsdruckaufbau wird das Kurvenverhalten noch sportlicher, schneller und zielgenauer.“
Grundsätzlich lässt sich sagen: Die im Folgenden beschriebene technische Lösung ist für die Ambitionen der meisten Sportfahrer ausreichend, denn sie wirkt wie eine Differenzialsperre, auch wenn sie sich anderer Mechanismen bedient. Dabei ist diese Lösung kostengünstig, wiegt nichts und benötigt keinerlei zusätzlichen Bauraum. Damit bringt das ESP mit elektronischer Differenzialsperre die besten Voraussetzungen für eine Integration in kleinere Fahrzeuge mit. Am Beispiel des vor kurzer Zeit vorgestellten Kleinwagens Audi A1 mit ESP mit elektronischer Differenzialsperre soll diese technisch wie wirtschaftlich interessante Lösung nun detaillierter vorgestellt werden.

(Bildquelle: Audi AG)
Zwei positive Effekte
Das von Audi eingesetzte ESP mit elektronischer Differenzialsperre fühlt sich tatsächlich in der Fahrpraxis fast wie ein mechanisches Sperrdifferenzial, das die Kraft auf beide angetriebenen Räder verteilt, an. Der Unterschied zum ESP liegt darin, dass die elektronische Differenzialsperre nicht nur kurz bei der Korrektur einer Schleuderbewegung eingreift, sondern – wenn nötig – während der gesamten Kurvenfahrt, in der das kurveninnere Rad stark entlastet ist, wirkt. Dabei ergänzen sich zwei Effekte:
Effekt 1: Sobald bei zügiger Kurvenfahrt das kurveninnere Vorderrad entlastet wird, veranlasst das ESP-Steuergerät dort einen gezielten Bremseneingriff. Mit dem Bremseingriff wird eine höhere Straßenhaftung simuliert. Das ist deshalb naheliegend, weil bei einem ganz normalen Differenzial bekanntermaßen lediglich das schlechter haftende Rad die Antriebskraft überträgt. Durch den Bremsimpuls auf das kurveninnere Rad fließt so mehr Antriebsmoment über das Differenzial auf das kurvenäußere Rad, das dadurch mehr Kraft auf die Straße bringt. Dabei gilt, dass das kurvenäußere Rad maximal so viel Kraft übertragen kann, wie es das kurveninnere Rad gestattet.
Effekt 2: Gleichzeitig wird durch den Bremseingriff ein Moment um die Hochachse (Giermoment) erzeugt, wodurch das Fahrzeug stärker in die Kurve einlenkt. Dem gerade für schnell gefahrene Fronttriebler typischen Schieben über die Vorderachse (Untersteuern) wird damit entgegengewirkt. Schnelle Kurven lassen sich so deutlich neutraler und ohne Lenkkorrekturen durchfahren.
Auf der Straße

(Bildquelle: Audi AG)
Bei Testfahrten zeigte sich die Fahrwerksabstimmung des Audi A1 als gelungener Kompromiss. Auffällig ist die sehr geringe Bewegung des Fahrzeugs um die Längsachse (Wanken), außerdem das Fehlen des für Fronttriebler typischen Schiebens über die Vorderachse (Untersteuertendenz). Dabei wirkte die Federung straff, ohne jedoch unkomfortabel zu sein. Enge Kurven können ganz ohne Korrektur, also mit hoher Lenkwinkeltreue, durchfahren werden; selbst in schnellen Links/Rechts-Passagen blieb der Audi A1 neutral.
Doch so gut das Regelsystem für sportlich ambitionierte Fahrer funktionieren mag, sind der elektronischen Differenzialsperre doch auch Grenzen gesetzt. Konkret: Da die Regelung über den Eingriff der Bremse erfolgt, kann das ESP die Funktion eines mechanischen sperrdifferenzials nicht vollständig ersetzen. Das gilt gerade für den Einsatz im professionellen Rennsport. Der große Vorteil der auf dem ESP aufbauenden elektronischen Differenzialsperre gegenüber einem mechanischen Sperrdifferential liegt deshalb vor allem in der günstigen Kosten-/Nutzen-Relation des Systems.

Bildquelle: Audi AG
Erhöhter Verschleiß?
Ein weiterer Aspekt ist der Verschleiß der Bremsanlage, denn schließlich wird die Sperrwirkung durch einen stetig wiederkehrenden Eingriff der Bremse erreicht. Wie oben beschrieben, greift die elektronische Differenzialsperre eben nicht nur – wie das ESP – kurzzeitig bei einer beginnenden Schleuderbewegung ein. Vielmehr bremst die elektronische Differenzialsperre das bei Kurvenfahrt stark entlastete kurveninnere Rad dauerhaft, bis es wieder genügend Bodenhaftung aufgebaut hat, um eine saubere Kraftübertragung zu ermöglichen. Je nach Fahrstil und Streckenverhältnissen geht damit ein höherer Verschleiß der Bremsscheiben und Bremsbeläge einher.

Kommentare
Kommentar von simon pankratz am
wenn ja was kostet das für einen golf 5 gti bwa motor bj 2006 !?
MFG Simon Pankratz