Nachgeschaut
Die Laufrichtungsbindung von Bremsscheiben

Die Laufrichtungsbindung ist ein Begriff aus der Automobilbranche und den meisten schon lange bekannt. Die Laufrichtung, in welche das Bauteil betrieben werden muss, ist vom Hersteller vorgegeben und eine umgekehrte Montage trägt dazu bei, dass die zugesicherten Eigenschaften nicht abrufbar sind.
Laufrichtungsgebundene Bremsscheiben verfügen über gebogene Luftkanäle, welche länger sind als die geraden Ausführungen und somit mehr Kühlluft aufnehmen können. Die schaufelartigen Lufteinlässe im Zentrum der Bremsscheibe sind so montiert, dass sie Luft mit der Vorderseite (Blatt) der Schaufel aufnehmen bzw. ansaugen, die am Bremsscheibenrand die Kanäle wieder verlässt und die Bremswärme an die Außenluft angibt. Die abgegebene Luft staut sich teilweise auf der Felgeninnenseite. Je luftiger diese aufgebaut ist, umso schneller kann die Luft entweichen.
Bei Bremsscheiben mit geraden Luftkanälen ist die Einbaulage egal, sie können rechts wie links ihre angestammte Aufgabe der Luftansaugung und Weitergabe erfüllen. Bei gebogenen Luftkanälen sieht das ganz anders aus. Die Lufteingänge (Bremsscheibentopf) sind hier schaufelartig ausgebildet, was die Bogenform der Kanäle schon vorgibt. Bewegen sich diese Schaufeln nun entgegen der Drehrichtung, streift der Luftstrom an ihrer Unterseite vorbei und wird nicht strömungsverstärkend in die Kanäle geleitet. Die Bremsscheibe ist somit ihrer baulichen Qualitäten beraubt und die Bremswärme wird nur ungenügend abgeführt. Besonders stark fällt die Fehlmontage auf, wenn auf der anderen Fahrzeugseite eine optimal wirkende Bremsscheibe verbaut ist. Versuche mit unterschiedlich wirkenden Bremsscheiben haben ein deutliches Ergebnis erzielt. Die falsch verbaute, innen belüftete Bremsscheibe, wird deutlich heißer als die optimal belüftete. Besonders krass fällt der Temperaturunterschied auf, wenn die Bremsanlage über eine Zusatzbelüftung verfügt (Lufteingänge am Bremsscheibentopf werden mit Zusatzluft angeblasen).
Richtig herum laufende und falsch herum laufende, belüftete Bremsscheibe
Echte Sportwagen und die Light-Versionen
Ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit der korrekten Einbaulage laufrichtungsgebundener Bremsscheiben sind der Audi TT-RS und der Audi RS3. An beiden Modellen sind Bremsscheiben verbaut, die innenbelüftet sind und gebogene Kanäle aufweisen. Allerdings wurde hier kein Wert auf den Schaufeleffekt gelegt und somit wirkt an diesen Fahrzeugen, rechts wie links, die gleiche Winkelung der Luftansaugkanäle. Als Folge traten laufend Bremsscheibenschäden auf, die werksseitig zwar kostenlos behoben wurden, aber immer wieder auftraten, weil die Ersatzbremsscheiben die gleiche Ausrichtung aufwiesen, wie die alten Bremsscheiben. Viele RS-Fahrer sind aufgrund der häufigen Schäden auf laufrichtungsgebundene Bremsscheiben von Bremsenherstellern umgestiegen, die sich an der Wirkungsweise einer Schaufel/Turbine halten und Bremsscheiben anbieten, die rechts wie links die korrekte Bauform aufweisen. In weiteren Versuchen wurden an den umgebauten TT-RS und RS3 wesentlich bessere Werte ermittelt, das Problem der Überhitzung bei Extrembelastungen ist jedoch immer noch nicht völlig ausgemerzt.
Natürlich ist es so, dass die werksseitig ausgerüsteten RS3/TT-RS im normalen Stadtbetrieb keine besonderen Auffälligkeiten zeigen (Bremsgeräusche einmal außen vor gelassen) und auch einige starke Bremsungen verkraften. Bewegt ein RS3/TT-RS-Fahrer seinen PS-Boliden aber einmal „artgerecht“ und fährt am oberen Leistungspotenzial, kommt es zu einem massiven Bremsenrubbeln, da die Wärmeabfuhr nicht so funktioniert wie man es von einem hochpreisigen Sportwagen erwarten kann. Die überhitzten Bremsscheiben bescheren nicht nur den gefährlichen Bremsverlust (Fading), sie sind in der Regel auch dauernd unbrauchbar verzogen. Der mangelnden Bremsleistung bei Nässe begegnet man bei Audi mit einem Update der Elektronik. Die Intervalle, in denen die Bremsbeläge bei Nässe automatisch an die Bremsscheiben gefahren werden, sind verkürzt worden, in der Hoffnung, nun bessere Nassbremswerte zu erzielen.
Step 2 bei der Behebung der Thermikprobleme sind eine Lochscheibe in der Frontschürze sowie Luftleitbleche die an der Vorderachse verbaut werden und für eine bessere Belüftung der Bremsanlage sorgen sollen. Alles in allem ist die Nachbesserung nur Stückwerk und basiert nicht auf einer ausgereiften Planung der Sportwagen. Nun sind wir wieder bei der Preisgestaltung. Bremsprobleme werden meist bei Sportwagen der Light-Klasse, um die 200 bis 300 PS, lokalisiert. Diese bewegen sich in einem Preissegment, das stark frequentiert ist und wo die Hersteller um jeden Euro feilschen müssen, um ihr Modell preisattraktiv zu gestalten. Leider oft auf Kosten der Dinge, die nicht sofort augenscheinlich sind. Darunter fällt auch die Bremsanlage. Ganz anders sieht es bei Sportwagen der Oberklasse aus. Dort ist Bremsperformance ein zentrales Thema, das bereits in der Planung einen hohen Stellenwert besetzt, um dessen Kern die designtechnischen Möglichkeiten entwickelt werden, nicht umgekehrt.
Dass Sportwagen für den täglichen Gebrauch auch ohne Mängel an der Bremsanlage gebaut werden können, hat Porsche eindrucksvoll bewiesen. Die Porsche Standardausführung, Grauguss- oder Keramikbremsscheiben, sind fast alle laufrichtungsgebunden und vertragen klaglos eine „artgerechte“ Fahrweise und fallen weder durch eine übermäßige Geräuschentwicklung noch durch Leistungsverluste auf.
Bei Porsche ist die Bremsanlage eben einer der zentralen Aspekte bei der Konzeptionierung eines neuen Fahrzeugs und nicht nur "schmückendes Beiwerk". Das ist einer der Gründe warum Porsche Bremsen nahezu über jeden Zweifel erhaben sind...
Mehr dazu lesen Sie hier.
Sorgenkind TTRS und die Geschichte um seine mangelhaften Bremsscheiben
Natürlich wird bei Audi der Kundendienst großgeschrieben und wie oben bereits angesprochen, die Bremsprobleme ernst genommen, bzw. den Kunden mit einem Software-Update und sogar neuen Bremsscheiben geholfen. Trotz aller Bemühungen reißt die Kette der Beschwerden nicht ab. Die Community ist sauer. Dies und der fortlaufende Ersatz der beanstandeten Bremsscheiben, durch Scheiben gleicher Bauart, haben eine deutliche Frage formuliert.
Warum ersetzt Audi die beanstandeten Bremsscheiben nicht durch laufrichtungsgebundene, besser belüftete Bremsscheiben?
Der Autor ist dieser Frage nachgegangen. Eine Anfrage in der Audi-Zentrale wurde abgewiesen und auf eine Audi-Fachwerkstatt verwiesen, die sicher gerne weiterhilft. Dort gab es die Auskunft, dass die Bremsscheiben lt. Reparaturanweisung nur gegen das Originalersatzteil ausgetauscht würden, weitere Infos gäbe es dazu nicht. So ergab sich der nächste Schritt, eine Anfrage bei den Herstellern der oft bemängelten Bremsscheiben. Die SHW ( Schwäbische Hüttenwerke), als Hersteller der Bremsscheiben, nahm sich meiner Fragen an.
„Warum werden für den Audi TTRS keine laufrichtungsgebundenen Bremsscheiben gefertigt, der Arbeitsaufwand dafür ist doch nicht höher?“
„Gibt es evtl. Forschungsergebnisse, die belegen, dass die Laufrichtungsbindung nichts mit den Bremsproblemen zu tun hat?“
Um es kurz zu machen, nach einigen Wochen und zahlreichen Nachfragen kam die Antwort, dass man in der Vorstandsetage (da war die Anfrage inzwischen gelandet) entschieden habe, keine Angaben oder Ergebnisse an mich weiterzugeben. Naja, keine Antwort ist in diesem Falle auch eine Antwort. So bleibt es also bei den Gerüchten um die mangelhaften, nicht laufrichtungsgebundenen TT-RS-Bremsscheiben. Um eine dauerhafte Abhilfe zu schaffen, bleibt dem Audi TT-RS-Fahrer nur der Weg zum Bremsenfachhändler, der leistungsfähige Alternativen bereithält.
Laufrichtungsbindung bei Bremsscheiben
Klar ist: Die Laufrichtungsbindung von Bremsscheiben hat ihren Preis. In der Produktion müssen zwei Gussform-Varianten, eine für die rechts und eine für linke Seite, gefertigt werden. Das bedeutet doppelten Aufwand, der sich äquivalent im Preis widerspiegelt. Wenn man sich mal am Markt umschaut, treiben nur wenige Hersteller diesen Aufwand.
Wer sein Auto bremstechnisch und optisch sinnvoll aufrüsten möchte, der ist im Bremsenfachhandel gut aufgehoben. Hier werden Qualitäts-Bremsscheiben verkauft, die über übliche Standards hinausgehen und ggf. auch über eine Laufrichtungsbindung verfügen. Nur so kann der Turbineneffekt sinnvoll zur Optimierung der Betriebsbremse eingesetzt werden.
Vor einem Punkt wollen wir aber abschließend noch warnen:
Durch die Rückrufaktionen von Audi bzgl. der RS3/TT-RS Bremse gibt es am Gebrauchtteilemarkt jede Menge „alte“ Bremsanlagen – teilweise zu Spottpreisen um die 500 Euro. Nun könnte der geneigte Golf 5/6/7 Gti Fahrer der Meinung sein, sein Gefährt mit dieser recht groß dimensionierten und günstigen Bremse leistungstechnisch aufwerten zu können. Doch das ist leider ein Trugschluss! Selbst bei den deutlich leistungsschwächeren Gtis funktioniert diese Bremse trauriger Weise nicht zufriedenstellend! Wir raten also jedem davon ab sich solch einen Umbau anzutun. Lieber etwas mehr Geld in die Hand nehmen und eine ordentliche Bremsanlage verbauen als bei eBay auf ein vermeintliches Schnäppchen hereinzufallen.

Kommentare
Kommentar von Roland Mohr am
Ich hatte bei SHW eine ähnliche Anfrage vorgelegt. Als Antwort kam von SHW, dass darüber nichts bekannt wäre.
Es ist mir bewußt, SHW fertigt im Auftrag des Fahrzeugherstellers und kann hier niemals dazu Stellung nehmen
Kommentar von A. S am
Auch mit carbopad Scheiben und Pagid ra Belag und zusätzlicher Kühlung ist die Ttrs Bremse in meinem Golf 5 mit 380 PS überfordert . 1650 Euro an Scheiben und Belag bezahlt und wieder ein unfahrbares Rubeln in der Bremse , Tonne auf und rein mit dem Mist !
Antwort von Autoteile Ralf Schmitz
Hallo Herr Speicher,
das klingt zugegebenermaßen nach einem größeren Problem mit der TT-RS Bremsanlage in Ihrem Golf 5 GTI Edition 30. Wenn selbst laufrichtungsgebundene Carbopad Hochleistung-Bremsscheiben keine Besserung bringen, muss das Problem auf andere Weise angegangen werden. Evtl. über die Vergrößerung des Scheibendurchmessers o.ä... Hierfür sind wir vom OnlineTeam aber die falschen Ansprechpartner.
Da Sie sich mit dem Problem am 11.7. aber schon an die Kollegen aus Beratung & Verkauf gewandt haben, sind Sie ja schon den richtigen Weg! Die Kollegen warten jetzt nur noch auf Bilder, um die Bremse etwas "näher kennenzulernen" und Ihnen dann evtl. geeignete Maßnahmen vorschlagen zu können.
In wie weit der Händler/Verkäufer der TT-RS Anlage mit den Carbopad Scheiben sich von den "Features" etwas annimmt, wäre interessant zu erfahren.
Viele Grüße,
das at-rs.de OnlineTeam
Kommentar von Bernd Kudrass am
es ist ehrlich gesagt ein schlechter Witz, Verbundbremsen mit grossem aufwand zu entwickeln und zu bauen, um dann einen systematischen Fehler wie die falsche Drehrichtung auszufuehren. Und das vor dem Hintergrund, dass es absolut kein Extra Aufwand waere, die korrekte Laufrichtung fuer beide Seiten herzustellen. Es ist nur eine Frage der korrekten Montage. Allein der etwas groessere Aufwand der Ersatzteilhaltung steht einer vernuenftigen Losung entgegen.
Ich frage mich ernsthaft, wie der TUEV so einen Unsinn erlauben kann. Wenn ein junger Kerl so einen Unsinn gebaut haette, wuerde er wohl seine Fahrerlaubnis verlieren. Grober Unfug.
Antwort von Autoteile Ralf Schmitz
Hallo Herr Kudrass,
Sie haben vollkommen Recht - im Segment der hochpreisigen Sportwagen darf so etwas eigentlich nicht passieren - schon gar nicht bei einem derart renommierten Hersteller... Diverse Bremsenhersteller haben gezeigt, dass es durchaus anders geht und die korrekte Laufrichtung einen Großteil der Probleme beseitigt. Der Aufwand hält sich wahrlich in Grenzen und auch die rechts/links Zuordnung kann man den meisten Fahrern zumuten ;) Dass das Problem "totgeschwiegen" und als nicht bekannt abgestempelt wird, muss man nicht zusätzlich kommentieren...
Viele Grüße,
das at-rs.de OnlineTeam