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Mangel oder produktspezifische Besonderheit?

Was von vielen Verkäufern zumindest im Ruhrgebiet immer lapidar mit „dat muss so!“ beantwortet wird, hatte das OLG Hamm jetzt in einer Berufungsentscheidung zu klären.
Konkret ging es darum, ob das vom Kläger so empfundene ruckhafte Beschleunigen und stotternde Abbremsen einen Sachmangel oder eine produktspezifische Besonderheit an einem Porsche Boxster S mit Automatikgetriebe darstellt.
Beanstandet wurde auch, dass das Fahrzeug – bei eingeschalteter Start-/Stop-Automatik – manchmal beim Gaswegnehmen in den Leerlauf schalte, manchmal die Drehzahl halte und sich dann beim Gasgeben mit einem Ruck fortbewege.
Das verklagte Porsche-Zentrum lehnte ein Nachbesserungsverlangen des Klägers mit der Begründung ab, dass das vom Kläger monierte Schalt- und Bremsverhalten so gewollt sei und von modellgleichen Fahrzeugen nicht abweiche.
Insbesondere sei das vom Kläger beanstandete Schalten nicht ruckhaft, sondern lediglich spürbar. Im Prospekt würde dieses als „straffes und unmittelbares“ Schaltverhalten beschrieben.
Im zu entscheidenden Fall hat der Käufer auf eine Probefahrt verzichtet und erst danach festgestellt, dass das Fahrverhalten seines neues Porsche Boxster S doch nicht ganz seinem subjektiven Empfinden entsprach.
Das Gericht hat seine Entscheidung auf die Ausführungen eines Sachverständigen gestellt. Dieser hat festgestellt, dass das ruckhafte Abbremsen darauf beruht, dass das automatische Getriebe des Boxsters beim Bremsen zurückschaltet und zwischen den Gangstufen selbständig Zwischengas gibt. Dies wurde aber ausdrücklich nicht als unangenehmes Fahrverhalten bewertet, sondern es dient dem sofortigen und unmittelbaren Beschleunigen nach dem Abbremsen.
Dass, das Fahrzeug bei eingeschalteter Start-/Stop-Automatik teilweise in den Leerlauf schaltet, beruht auf der herstellerseitig programmierten sogenannten „Segelfunktion“ des Sportwagens. Dabei trennt die Getriebesteuerung z.B. bei mittleren Geschwindigkeiten, wenn der Fuß vom Gas genommen wird, Getriebe und Motor. Dies dient der Kraftstoffersparnis.
Eigene Erwartungshaltung contra Realität
Dieses Urteil zeigt sehr gut, dass nicht jede als Mangel empfundene Abweichung vom eigenen Vorstellungsbild auch ein Mangel sein muss.
Und sind wir mal ehrlich: Wer sich einen Porsche Boxster S zulegt, sollte wohl auch damit rechnen dürfen, dass dieser etwas sportlicher Beschleunigt. Ein gemächliches Anfahren wie bei einem Family-Van dürften jedenfalls die Wenigstens ernsthaft in ihre Erwartungshaltung einbeziehen. Gerade der schnelle Wechsel zwischen Bremsen, Schalten und Beschleunigen mit den einhergehenden Anpresskräften, welche auch mal ruppiger rüberkommen, ist ja das was die meisten von uns unter sportlichem Fahren verstehen.
Und Porsche baut seine Fahrzeuge nun mal nicht nur dafür um gemächlich seinen Protz spazieren zu fahren, sondern versteht sich eben noch als Sportwagenbauer.
(OLG Hamm, Az. 28 U 162/13)
