Blickpunkt
Radnabenantrieb und neue Bremstechnologien
Der kurz vor der Serienreife stehende Radnabenantrieb wird die Bremse der Zukunft bautechnisch revolutionieren. AT-RS erklärt die technischen Hintergründe.
In den letzten Jahren mehrfach angekündigt, scheint sich nun tatsächlich eine Revolution in der Automobiltechnik anzubahnen. Denn der Radnabenantrieb, der die Basis der zukünftigen elektromotorischen Fortbewegung bilden wird, steht dank der Anstrengungen des deutschen Unternehmens Schaeffler kurz vor der Serienreife. Konkreter ausgedrückt: Sämtliche Komponenten des Radnabenantriebs der zweiten Generation passen nun in eine ganz gewöhnliche 16-Zoll-Felge.
Zur Erinnerung: Beim elektrischen Radnabenantrieb wird der Elektromotor samt Federung und Bremse direkt in der Radnabe montiert. Damit wird ein elektrisches Automobil nicht mehr zentral über Wellen, Getriebe und Differenzial angetrieben, sondern einzeln und direkt an jedem Rad. Allerdings ist diese Anordnung technikhistorisch gesehen ein alter Hut, denn bereits um das Jahr 1900 wurden elektrisch angetriebene Automobile mit Radnabenantrieben ausgestattet. Dies nicht ohne Grund, denn diese Antriebsform überzeugt mit vielen Vorteilen.
Drei große Vorteile
Erstens kann auf die gesamte teure und schwere Antriebsmechanik verzichtet werden, später sogar auf eine mechanische Lenkung. Damit werden völlig neue Fahrzeugkonzepte möglich, denn für den Elektromotor wird kein separater Bauraum mehr benötigt. Wie Fahrzeuge demnächst aussehen könnten, zeigt beispielhaft die Studie Pivo 2 von Nissan (Bild 1) mit ihren einzeln angetriebenen, schwenkbaren Rädern. Durch einen Lenkeinschlag von 90 Grad kann der Nissan Pivo 2 sogar seitlich einparken.

Ein zweiter Vorteil eines solch dezentralisierten Antriebs ist der deutlich erhöhte Wirkungsgrad, denn der Antriebsstrom fließt direkt zum Rad, ohne vorher in mechanische Drehenergie umgewandelt werden zu müssen. Bei der neuesten Entwicklung von Schaeffler gelang es den Ingenieuren sogar, die gesamte Leistungselektronik und den Controller ebenfalls mit im Rad zu platzieren. Das reduziert die Verkabelung zum Fahrzeug deutlich.
Ein dritter Vorteil ist die Möglichkeit, Bremsassistenzsysteme kostengünstig einzubinden. Da jedes Rad einzeln gebremst und beschleunigt werden kann, ist die Realisierung beispielsweise einer elektronischen Differentialsperre, eines Allradantriebs und sogar eines Torque-Vectoring-Systems ohne weitere Kosten möglich. Werden die Räder nur mittels Rekuperation gebremst, kann sogar das gesamte hydraulische Bremssystem wegfallen.
Nachteile
Doch die Radnabenantriebs-Technologie bringt auch Nachteile mit sich. In den nächsten Jahren gilt es beispielsweise, die im Rad permanent den Umwelteinflüssen und Vibrationen ausgesetzten elektronischen Komponenten besser zu schützen, um sie dauerhaft zuverlässig zu machen und funktional zu halten. Denn: Beim Bremsen mittels Rekuperation würde der Ausfall des Moduls an einem Rad nicht nur den Wegfall eines Radantriebs bedeuten, sondern gleichzeitig den Wegfall der Bremswirkung des betroffenen Rades.
Der größte, von Kritikern immer wieder ins Feld geführte Nachteil betrifft das Gewicht eines Radnabenmoduls, das über dem eines normalen Rades liegt. Ausschlaggebend dabei ist eigentlich nicht das Mehrgewicht, sondern die Erhöhung der ungefederten Massen am Rad, die das Einlenkverhalten, den Federungskomfort und die Straßenlage beeinträchtigt.
Doch diesen Pauschaleinwand lässt Roger Graaf, Projektleiter bei Ford Research & Advanced Engineering Europe, nicht gelten. Die Fakten sprechen für ihn, denn mit insgesamt gerade einmal 53 kg beträgt das Mehrgewicht des neuen Radnabenantriebs gegenüber einem herkömmlichen, 45 kg wiegenden Rad mit Radlager und Bremse gerade einmal 8 kg.
Zum Radnabenantrieb der neuesten Generation erklärt Graaf: „Die Fahrversuche zeigen deutlich, dass das Fahrverhalten hinsichtlich Komfort und Sicherheit bei diesem Erprobungsfahrzeug trotz der höheren radgefederten Massen im Vergleich zum konventionellen Basisfahrzeug auf nahezu gleich hohem Niveau ist“. Da der Testwagen, ein in Gemeinschaft mit Ford aufgebauter Ford Fiesta, über ein integriertes Torque Vectoring verfügt, fährt er verblüffend dynamisch – die Nachteile durch die höheren ungefederten Massen sind dabei für den normalen Autofahrer nicht spürbar.
Völlig neue Bremssystemtechnologien
Gerade bei der Bremstechnologie wird der Radnabenantrieb einen Technologiewandel bewirken, der die herkömmliche Bauweise von Scheibenbremsen mit Bremssattel ablösen wird. Dies soll folgend bei einem Blick auf die neuen Radnabensysteme kurz dargestellt werden:

Michelin Active Wheel (Bild 2): Bei diesem Radnabenmotor von Michelin griffen die Entwickler auf gewöhnliche Bremsscheiben zurück, die per hydraulisch betätigtem Bremssattel für Verzögerung sorgen. Mehr Wert als auf eine futuristische Bremse legten die Michelin-Ingenieure bei ihrem Active Wheel auf eine aktive Federung und Dämpfung. Doch schon bei der nächsten Version (Bild 3) bündelten die Entwickler die in viele kleine Einzelscheiben geteilte Bremsscheibe kompakt in der Mitte der Radnabe.

VDO Siemens entwickelte für den im Haus entworfenen Radnabenantrieb eCorner die sogenannte Keilbremse (siehe hier). Der Vorteil: Eine Keilbremse kann problemlos elektrisch betätigt werden, weil sie stark selbstverstärkend arbeitet. Leider ist es bei VDO Siemens seit dem Jahr 2010 um die Keilbremse ebenso still geworden wie um den Radnabenantrieb eCorner.
Einen Vorstoß wagt nun Schaeffler mit dem eWheelDrive der zweiten Generation, denn bei diesem an der Hinterachse montierten Radnabenantrieb wird bereits ganz auf eine mechanische Bremse verzichtet (Bild 4). Die Verzögerung geschieht laut Auskunft der Pressestelle der Schaeffler AG dabei nur noch durch Rekuperation. Die per Rekuperation gewonnene Energie steht dabei sofort wieder als elektrische Antriebsenergie zur Verfügung.

Fazit
Fakt ist, dass mit dem Antrieb von Fahrzeugen mittels elektrischer Radnabenmodule wahrscheinlich auch die Bremsentechnik neue Wege gehen wird. Welche Bremssysteme sich zukünftig durchsetzen werden, ist heute jedoch nicht abzusehen.
Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis ein erwähnenswerter Teil der Automobile lediglich per Rekuperation verzögern wird und Bremsklötze, Bremsscheiben und Bremstrommeln nur noch in den Geschichtsbüchern zu betrachten sein werden. Bis dahin freuen wir uns bei AT-RS, Sie und Ihr Fahrzeug weiter wie bisher bei uns betreuen zu dürfen.

Kommentare
Kommentar von Hermann am
Hm - da schriebt jemand, der kaum Ahnung von eMaschinen hat ...
Jeder Fachmann weis, dass man keine Permanentmagneten braucht, man kann das Ganze, wie beim x-millionenfach verbauten Generator (Lichtmaschine) fremderegen ...
Mfg HD
Kommentar von Nils am
Neodym wird gebraucht um einen starken dauermagnet zu erzeugen der ausreichend ist solche Leistungsstarken Motoren überhaupt bauen zu können! Die Neodymgewinnung ist sehr gering, und um unsere Millionen von Fahrzeugen in Elektroautos um zu tauschen gibt es viel zu wenig davon! Also alles nur Schall und Rauch! In den nächsten 20 Jahren werden wieder die Brennstoffzellen auftauchen und sich durchsetzen.