Blickpunkt
Ungefederte Masse am Fahrzeug
Ungefederte Massen wirken im Verborgenen und ihnen wird oft zu wenig Bedeutung zugemessen. Spätestens dann, wenn die Frage nach neuen Felgen, breiteren Reifen oder einer effizienteren Bremsanlage auftaucht, sollte sich der Fahrer Gedanken dazu machen.

Was bewirken ungefederte Massen und wo sind sie zu finden?
Zu den ungefederten Massen am Fahrzeug zählen die Reifen, Felgen, Bremsanlage, teilweise die Achswellen, Radlager, zum Teil die Stoßdämpfer, Federn, Stabilisatoren und bei starren Achsen auch die Achslenker. Die Masse dieser Bauteile wirkt direkt und ungefedert auf die Fahrbahn. Sie folgt allen Fahrbahneinflüssen, abgesehen von einem geringen Federeffekt der Bereifung. Die Karosserie stellt die gefederte Masse dar. In ihr sind nur noch geringe Auswirkungen der Fahrbahnbeschaffenheit zu verspüren.
Als allgemeingültige Regel gilt: Je geringer die Masse der ungefederten Bauteile ist, umso besser sind die Fahreigenschaften eines Fahrzeuges.
Was bewirkt eine Erhöhung bzw. Verringerung der ungefederten Massen?
Die Erhöhung der ungefederten Massen wirkt sich, ohne entsprechende Ausgleichmaßnahmen im Bereich der gefederten Massen, ungünstig auf das anzustrebende Massenverhältnis aus. Je kleiner die ungefederte Masse im Verhältnis zur gefederten Masse ist, desto geringer wirken sich die unerwünschten Radlastschwankungen und Beschleunigungen (actio-reactio) der Karosserie auf die Fahrleistungen aus. Im Sportwagen-Bereich werden besonders leichte Felgen aus Aluminiumlegierungen oder Magnesiumlegierungen und leichte Bremsanlagen verbaut, um das Verhältnis möglichst gering zu halten.
Um ein Gefühl für die Dimensionierung zu bekommen, kann man folgende Faustregel anwenden: 1 Kilogramm ungefederte Masse (siehe oben) wirkt auf das Fahrverhalten wie sieben Kilogramm gefederte Masse.
Augen auf beim Kauf der Leichtbau-Komponenten!
So sparen Sie nicht nur Gewicht, sondern auch Zeit und Geld! Es hat sich als vorteilhaft erwiesen bei der Felgenwahl darauf zu achten, dass eine genügend große Freigängigkeit vorhanden ist, um bei der Umrüstung auf eine größere Bremsanlage, genügend Platz für die großen Bremssättel zu haben. Bei der Wahl einer leichten Sportfelge wird das Mehrgewicht einer größeren Bremsanlage wieder ausgeglichen und das Verhältnis, zwischen den gefederten und ungefederten Massen, wird kaum tangiert. Ersetzt man die herkömmliche Bremsanlage und Bremsscheiben durch Produkte die effektiver und leichter sind (z. B. eine belüftete zweiteilige, verschraubte Bremsscheibe) kommt das dem Massenverhältnis positiv entgegen, was sich in einem verbesserten Fahrverhalten ausdrückt.
Bei einer sinnvollen Optimierung der Fahr-/Bremsleistungen kommt es bezüglich der ungefederten Massen darauf an, die Komponenten möglichst genau auf das Konzept des Fahrzeugs abzustimmen.

Felgen/Reifen und ihre Wirkung auf die ungefederte Masse eines Fahrzeuges
Felgen und Reifen sind gewichtige Komponenten unter den Bauteilen, die zu den ungefederten Massen zählen. Hier zu optimieren bzw. Gewicht zu reduzieren bringt schnell eine hohe Verbesserungsquote, die sofort messbar ist. Die Festigkeit einer Felge ist nicht gewichtsabhängig, sie ist das Resultat aus Materialeinsatz und Herstellungsmethode. So kann zum Beispiel die Festigkeit einer leichten, geschmiedeten, filigranen Leichtmetallfelge, um ein Vielfaches höher sein, als das einer schweren Spritzgussfelge in minderwertiger Qualität. Bei den Reifen ist das Spektrum gleichermaßen groß. Auch hier unterstützt die Wahl eines leichtgewichtigen Reifens, das Verhältnis der gefederten und ungefederten Massen positiv. Jedoch sollte beim Reifenkauf das Hauptaugenmerk auf der Gummimischung liegen. Reifenhersteller stellen hierzu, in Beiblättern, Informationen zu ihren Produkten bereit.
Expertentipp:
Weder die Reifenbreite noch das Profil ist der ausschlaggebende Faktor für die Haftung eines Reifens. Den Hauptanteil an der Übertragungsfähigkeit der Kräfte/Bremskraft liegt in der Zusammensetzung des Material-Cocktails. Die Breite des Reifens macht sich erst dann positiv bemerkbar, wenn es um die thermischen Belastungsgrenzen eines Reifens geht. Das Profil verringert die Aufstandsfläche um das Maß, welches das vorhandene Negativ-Profil einnimmt. Der optimale Reifen für eine trockene, griffige Fahrbahn ist der profillose Breitreifen. Seit dem 1. November 2012 stellen alle Reifenhersteller (EU) das Reifenlabel bereit. Darin sind alle relevanten Reifencharakteristika enthalten, die Ihnen die Wahl des passenden Reifens zu Ihrem Fahrzeug erleichtern.
Jede Bremse ist nur so gut, wie der Reifen es zulässt. Mehr dazu lesen Sie hier.
Größere Bremsanlagen und deren sinnvoller Einsatz
Die Frage danach muss eigentlich lauten: Kann ich eine größere Bremsanlage sinnvoll in mein Fahrzeug integrieren?
Die Antwort ist schnell gegeben:

Die größere Bremsanlage ist immer dann sinnvoll, wenn die Serienbremse und deren Leistungsvermögen sich nicht mit den Anforderungen decken, die ich an mein Auto stelle, bzw. wenn die alte Bremsanlage nicht zu meinem Fahrstil passt.
Ist die Frage positiv beantwortet und die große Bremse verbaut, braucht die neue, größere Bremse auch Futter. Futter in Form von Arbeit. Ihre Arbeit verrichtet sie auf der Fahrbahn, sie bremst im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Rad, welches entsprechend dem Reifen und dem Untergrund die Bremsleistung auf die Straße bringt. Geben wir der Bremse also in Form eines breiten, formstabilen Reifens viel Arbeitsfläche, ist auch das Produkt der Bremsarbeit, die Bremsleistung, erhöht.
Wie man erkennen kann, muss das Gesamtkonzept des Fahrzeugs stimmen, um mit einer größeren Bremsanlage das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Wer also nicht nur einen optischen Effekt erzielen möchte, muss alle Fahrzeugkomponenten aufeinander abstimmen. Das wirft auch die Frage nach der Kompatibilität von Bremsscheibe und Bremsbelag auf. Da es hier unterschiedliche Kombinationsmöglichkeiten gibt, ist es sinnvoll sich unter Berücksichtigung des eigenen Fahrstils und der Verwendung des Fahrzeuges, im Bremsenfachhandel beraten zu lassen. Schon die optimale Kombination von Bremsbelag und Bremsscheibe eröffnet so manchem Autofahrer ein ganz neues Bremsgefühl.
Ungefederte Massen reduzieren: Der Trend heißt Leichtbau-Bremsscheiben!
Leichte Compound-Bremsscheiben werden beispielsweise in Hochleistungssportwagen von BMW, AUDI und Mercedes verbaut. Sie sind wesentlich leichter und gegen thermische Belastungen unempfindlicher, als herkömmliche Bremsscheiben. Sie bestehen aus einem Reibring aus Grauguss, der mittels eingegossener Edelstahlstifte mit dem Bremsscheibentopf aus Aluminium verbunden ist. Die Trennung von Topf und Reibfläche hat nicht nur eine Gewichtsersparnis zur Folge, sie erlaubt gleichzeitig auch die Ausdehnung der Bremsscheibe bei Bremsungen aus hohen Geschwindigkeiten, ohne dass es dabei zu einer Verformung durch thermische Spannungen kommt. Die Compound-Bremsscheiben sind aufgrund der schwimmend gelagerten Konstruktion und ihrer Lochung sowie einer effektiven Innenbelüftung weitgehend unempfindlich gegen thermische Belastungen.

Doch Vorsicht! So leistungsfähig die Leichtbau-Bremsscheiben sein mögen, sie bergen auch Gefahren. So sind die Leichtbau-Töpfe stoßempfindlich und neigen, z. B. beim Radwechsel, bei leichtem Touchieren mit dem Reifen oder Felge zu Deformationen. Besonders empfindlich sind die Töpfe aus Stahlblech (DB). Im Betrieb erfüllen sie ihre konstruktionsbedingten Aufgaben und reduzieren darüber hinaus die ungefederten Massen bedeutend, sind aber bei den Monteuren ob ihrer hohen Neigung zur Deformation nicht sehr beliebt.
Auch die Hersteller haben die Handling-Probleme mit Produkten der Super-Leichtbauweise erkannt und setzen bei ihren Sportmodellen und Hochleistungsstraßenfahrzeugen auf zweiteilige, verschraubte Bremsscheiben (schwimmend oder fest) weil die einfach und günstig zu produzieren sind und das schon bei kleinen Stückzahlen. Die Leistungsfähigkeit und die homogene Integration einer zweiteiligen, verschraubten Bremsscheibe in den Komfort- und Leistungsbereich des Verhältnisses, zwischen den gefederten und ungefederten Massen, beweist der Serieneinsatz bei einer Vielzahl an hochmotorisierten Fahrzeugen wie z.B. dem Mercedes C63 AMG, dem Audi RS4 oder dem Nissan GTR.
Expertentipp:
1. Dem über das Ziel hinaus geschossenen Leichtbau-Hype werden professionelle Bremsenanbieter nicht folgen, die Kosten für den Kunden stehen in keinem gesunden Verhältnis zu dem vermeintlichen Mehrwert, den er durch den Einbau erfahren würde.
2. Kombinieren Sie Ihre neuen Bremsscheiben mit Bremsbelägen, die genau Ihrem Fahrstil und dem Gesamtkonzept Ihres Fahrzeuges entsprechen. Die richtige Kombination sichert den Erfolg und steigert den Mehrwert der neuen Bremsanlage um ein Vielfaches. Auf die richtige Mischung kommt es an! Mehr zur Optimierung der Bremsanlage lesen Sie in diesem Blogbeitrag.
Fazit:
Auf der Jagd nach gewichtsreduzierenden Bremsanlagen sollte man nicht übers Ziel hinausschießen und zugunsten von einigen Gramm Mindergewicht, auf fragile Lösungen hereinfallen. Die besonders leichte Bremsscheibe ist nicht immer die beste für Ihr Fahrzeug. Die ideale Bremsscheibe ist leistungsstark, montagefreundlich und passt sich dem Gesamtkonzept Ihres Fahrzeuges an. In der Praxis haben sich belüftete, zweiteilige, verschraubte Bremsscheiben bestens bewährt. Sie sind in gelochter oder geschlitzter Ausführung besonders effektiv und für fast jede Anforderung die richtige Wahl.
Ungefederte Massen zu reduzieren kommt natürlich dem Fahrkomfort und den Fahrleistungen eines jeden Fahrzeuges positiv entgegen. Je kleiner die ungefederten Massen im Verhältnis zu den gefederten Massen stehen, umso besser ist das für Fahrer und Fahrzeug. Jedoch sollte der Optimierungsgedanke immer von der Rentabilität, der Servicefreundlichkeit und einer langen Haltbarkeit der Bremsanlage getragen sein. Wer das Gesamtkonzept seines Fahrzeuges und die persönlichen Ansprüche deutlich vor Augen hat, wird der Bremsscheibe den Vorzug geben, die am besten in das personalisierte Konzept passt.
Die "Motorsportwelt" hat hierzu eine interessante Animation als Video veröffentlicht:

Kommentare
Kommentar von M. Bruckbauer am
Sehr geehrtes AT-RS Team,
leider ist ihr Kommentar in mehreren Punkten nicht korrekt. Eine Verringerung der ungefederten rotierenden! Masse um 8kg wirkt sich nicht nur wie 8kg gefederte Masse aus. Bei den Felgen handelt es sich im rotierende Masse, welche einen höheren Einfluss aufgrund der Rotationsmasse hat als die statische kfz Masse wie z.b. ein Wasserkasten im Kofferraum.
Desweiteren wirkt sich die Reduktion der ungefederten Masse erst einmal negativ auf Fahrkomfort aus. Der Kontakt zur Straße wird verbessert, aber gefühlt wird das Auto erst einmal straffer und unkomfortabler. Dies kann man bei härteverstellbaren Fahrwerken durch eine geringere Dämpfung kompensieren.
Antwort von Autoteile Ralf Schmitz
Hallo und vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem obigen Kommentar, in welchem es damals in erster Line nur um die Beantwortung der Frage nach der evtl. besseren Beschleunigung durch die 2 Kilo Einsparung pro Rad/Reifen ging. Dass sich 1 Kilogramm ungefederte Masse auf das Fahrverhalten ca. wie sieben Kilogramm gefederte Masse verhält, hatten wir oben im Text ja schon erwähnt. Bei der Beschleunigung dürfte es hier nicht allzu große Unterschiede geben... Gemessen haben wir das freilich nicht - der erwähnte Millisekunden-Unterschied zwischen 0-200km/h mit und ohne die "zusätzlichen" 8 Kilo am Rad/Reifen sind nur eine grobe Schätzung. Und Sie haben natürlich Recht - das bloße reduzieren der ungefederten Masse ist bei der gesamtheitlichen Optimierung des Fahrkomforts nur ein kleiner Baustein. Da es dem Kommentator aus 2020 aber wohl nur um das Thema Beschleunigung ging, haben wir für den Rest einfach weiterhin den Text oben sprechen lassen ;)
Kommentar von Semih Yesildag am
Guten Tag, ich habe z.b 2kg am rad/reifen gespart, wie ist das Fahrverhalten bzw die Beschleunigung spürbar, wenn wir jetzt sagen wir von 0-200kmh 20sekunden davor mit schweren rad/reifen Kombi gefahren sind. Um wie viel Prozent könnte man die Zeit schneller erreichen?
Danke im Voraus
Lg grünberg
Antwort von Autoteile Ralf Schmitz
Auch wenn Sie das enttäuschen wird - in puncto Beschleunigung werden Sie maximal einen marginalen Unterschied messen können, der sich, wenn überhaupt, im Millisekunden-Bereich bewegt. Die eingesparte Masse (bei 4 Reifen sind es in Ihrem Beispiel gerade einmal 8 Kilo) ist ja auch nur ein minimaler Bruchteil der gesamten Fahrzeugmasse (bei z.b. 1600kg Fahrzeuggewicht sind es lediglich 0,5%), die durch die Motorleistung in Bewegung versetzt werden muss. Wenn Sie nen Kasten Wasser in den Kofferraum packen, merken Sie ja auch keinen Unterschied ;)
Bei der ungefederten Masse geht es nicht um Be- oder Entschleunigung, sondern vielmehr um Fahrkomfort, Federverhalten und den Reifenkontakt zur Strasse. Durch geringere ungefederte Massen am Rad kann das Fahrwerk viel schneller und sensibler auf Unebenheiten der Straße reagieren und das jeweilige Rad schneller ein- und wieder ausfedern, sodass es der Kontakt zur Fahrbahn deutlich besser gegeben ist, als bei einer größeren Masse. Nehmen wir den Kasten Wasser von eben als Beispiel: Was denken Sie, welchen Kasten Sie schneller anheben und bewegen können? Den vollen mit 12x 0,7l Glasflaschen oder den, bei dem wir 3 Flaschen herausgenommen haben? Genauso verhält es sich bei der ungefederten Masse am Rad. Je weniger Masse in den Stoßdämpfer hinein und von ihm wieder heraus gedrückt werden muss, umso sensibler kann das Fahrwerk auf den Untergrund reagieren.
Im Motorrad-Bereich kommen durch leichtere Bremsscheiben noch geringere Zentrifugalkräfte und dadurch leichteres Einlenken hinzu - dies kann im KFZ-Bereich aber ebenso wie die Beschleunigung außer Acht gelassen werden.
Wenn Sie also durch Gewichtseinsparung Sekunden von 0 auf 200km/h wett machen wollen, müssen Sie schon deutlich mehr optimieren und z.B. die Rückbank, den Beifahrersitz, die Sound- sowie Klimaanlage, sowie weitere schwere und nur dem Komfort dienliche Komponenten entfernen... Die so eingesparten 150-200 Kilo können dann schon Zehntel- wenn nicht sogar volle Sekunden ausmachen.