Blickpunkt
Was ist eigentlich ein OEM?

Allerorten wird mit dem englischen Begriff OEM um sich geworfen – was genau darunter zu verstehen ist, bleibt dabei oft nebulös. Deshalb möchte AT-RS diesen Begriff nun näher erläutern und dabei die verschiedenen Bedeutungen der Abkürzung OEM beschreiben.
OEM: Nun, zuallererst steht der Begriff im Englischen für „Original Equipment Manufacturer“, was in deutscher Sprache mit „Erstausrüster“ bzw. „Originalausrüstungshersteller“ übersetzt werden kann. Doch ganz so einfach ist die Erklärung nicht, denn der Begriff OEM wird beispielsweise bezüglich Computersoftware vollkommen anders verwendet, als im für unsere Kunden relevanten Begriffsfeld Automotive. Den Computerbereich lassen wir jedoch beiseite und betrachten stattdessen das Themengebiet Automotive genauer.
OEM: Begrifflichkeiten im Bereich Automotive
Leider ist selbst im eingegrenzten Themengebiet Automotive der Begriff OEM nicht eindeutig definiert, denn er wird gleichermaßen im Zusammenhang mit Fahrzeugherstellern, Zulieferern und Teileproduzenten benutzt. Dabei sind drei Bedeutungen zu unterscheiden:

1.) Fahrzeughersteller als OEM:
Im strategischen Lieferantenmanagement der Automobilindustrie bezeichnen sich die Hersteller selbst als OEM. Konkret: Audi, BMW, Opel, Porsche – alle diese beispielhaft gewählten Automobilhersteller sind ein OEM. Dabei steht der Fahrzeughersteller an der Spitze einer Zulieferpyramide, darunter sind die Zulieferer horizontal in verschiedenen Ebenen angeordnet, die jeweils ihre Relevanz in der Lieferkette dokumentieren. Direkte Zulieferer bzw. Systemlieferanten werden in dieser Pyramidendarstellung mit dem Begriff Tier 1 (Rang 1) bezeichnet, die Zulieferer der Zulieferer nachgeordnet als Tier 2 (Rang 2), usw.
2.) Erstausrüster als OEM:
Ein OEM liefert beispielsweise elektronische Bauteile, Reifen oder Bremskomponenten direkt in das Werk des Fahrzeugherstellers. Hierzu gehören beispielsweise Lieferanten wie Bosch, Dunlop, Brembo oder Schaeffler. Die von diesen OEM zugelieferten Komponenten werden in die im Werk produzierten Neufahrzeuge verbaut. Damit übernimmt quasi der Fahrzeughersteller einen Teil des Vertriebs für den OEM, dessen eingebaute Produkte in der Regel nicht separat beworben werden.
3.) Komponentenhersteller als OEM:
Parallel dazu wird der Begriff im Automobilbereich für Hersteller verwendet, die mit ihren Kfz-Komponenten den Aftermarkt bedienen. Diese Hersteller beliefern also nicht den Fahrzeughersteller für die Produktion von Neufahrzeugen, sondern sie vertreiben ihre Verschleiß- und Ersatzteile über den freien Markt. Der Verkauf geschieht dabei unter eigenem Namen oder über ein geeignetes Label. Hierbei wird auch häufig mit der Aussage „OE-Qualität“ geworben. De facto bedeutet dies jedoch meist lediglich, dass es sich bei den Ersatzteilen um solche handelt, die den original verbauten Teilen in Form und Größe in nichts nachstehen (siehe unten).
Fertigungstiefe und OEM
Ein kurzer Rückblick zur Sachlage in der Automobilproduktion: In den Anfängen der Volksmotorisierung war die Fertigungstiefe so stark ausgeprägt, dass nahezu das gesamte Automobil mit seiner kompletten Technik im Werk des Herstellers produziert wurde. Das Entwicklungs-Know-how für die Herstellung sämtlicher Teile lag damit alleine in der Hand des Automobilproduzenten. Henry Ford beispielsweise dehnte dieses Bestreben so weit aus, dass er im brasilianischen Dschungel ausgedehnte Kautschukplantagen anlegen ließ, um im großen Stil Gummi für die eigene Reifenproduktion zu gewinnen.
Hinlänglich bekannt ist, dass bei dem Bestreben nach möglichst ausgeprägter Fertigungstiefe längst ein Umdenken stattgefunden hat. Mit anderen Worten: Die Fertigungstiefe ist in den Werken aller Fahrzeughersteller seit Jahrzehnten rückläufig. Reifen, Schlösser, Bremskomponenten, elektronische Bauteile – all dies wird nicht mehr im eigenen Werk produziert, sondern von spezialisierten Zulieferern beigesteuert. Dieses Vorgehen bringt dem Fahrzeughersteller wirtschaftlich durchaus handfeste Vorteile, allerdings verlagert sich damit auch die Fachkompetenz nach außen hin zu den Zulieferern.
OEMs als gleichwertiger Partner
Drastischer formuliert: Durch diese Verlagerung werden Abhängigkeiten aufgebaut, die für den Fahrzeughersteller bedrohlich werden können. So haben einige Systemzulieferer längst eine Marktstärke erreicht, die sie und ihre Produkte für die Automobilhersteller unverzichtbar machen. Wie weit diese Abhängigkeit der Fahrzeughersteller von den OEMs mittlerweile geht, wird bei einem Blick auf die Zahlen offensichtlich: So gibt ein Automobilhersteller wohl die Qualität der Teile und die Lieferbedingungen vor, er produziert jedoch im Durchschnitt nur noch rund 25 Prozent eines Automobils selbst.
Damit sind OEMs keine reinen Lieferanten mehr, sondern im Idealfall unverzichtbare Entwicklungspartner der Automobilhersteller. Die großen Hersteller haben deshalb verstanden, dass eine Zusammenarbeit mit den OEMs langfristig und partnerschaftlich ausgerichtet sein muss. Das kurzfristige „Auspressen“ der Zulieferer, so hat es die Vergangenheit bei Opel und VW unter dem berüchtigten Chefeinkäufer Ignacio López deutlich gezeigt, führt dabei nur kurzfristig zu einer Kostensenkung.
OEM im Aftermarkt
Mit der Verwendung des Begriffs OEM im Bereich Aftermarkt kommen mehrere Fragen auf: Was bedeutet die Auszeichnung OEM für den Kunden? Bekommt er im Aftermarkt exakt die Teile, die auch im Werk verbaut werden? Was bedeutet der klangvolle Begriff OEM in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Qualität der Ersatz- bzw. Verschleißteile?
Ganz offen gesagt: Bei diesen OEM ist die Komponentenqualität häufig sehr unterschiedlich, weil viele Hersteller aus Niedriglohnländern mit qualitativ unzureichenden Produkten auf dem Markt vorhanden sind. Ein Qualitätsmanagement, wie es bei den Komponentenherstellern der Industrieländer selbstverständlich ist, darf im Aftermarkt nicht bei allen Anbietern vorausgesetzt werden.
Beim Kauf von Ersatz- bzw. Verschleißteilen außerhalb des Vertriebsnetzes des Automobilherstellers bedeutet dieser Begriff tatsächlich nicht viel mehr, als dass die Komponenten in Form und Größe dem im Neufahrzeug verwendeten Originalbauteil entsprechen. Damit ist der Begriff OEM im Aftermarkt kein Garant für die besondere Qualität eines Bauteils.
OEM bei AT-RS
Für uns bei AT-RS und für unsere Kunden ist diese Sachlage wichtig, denn auch wir vertreiben Komponenten von OEMs. Wir verlassen uns dabei jedoch nicht auf die werbeträchtige Botschaft, die mit dem Begriff OEM verbunden ist. Denn wenn es um den Vertrieb von Ersatz- und Verschleißteilen geht, bieten nicht nur seriöse Anbieter ihre Produkte werbewirksam unter „OEM-Qualität“ zum Verkauf an. Und geschrieben wird viel.

Stattdessen prüfen wir bei AT-RS die von uns vertriebenen Bremskomponenten selbst auf Herz und Nieren, indem wir beispielsweise unsere Firmenfahrzeuge damit ausrüsten. Mit anderen Worten: Auf die von den Anbietern verwendete Begrifflichkeit OEM geben wir nicht viel, stattdessen vertrauen wir den Aussagen unserer Angestellten, Testfahrer und Gutachter. Nur so können wir bei AT-RS sicher sein, dass die von uns vertriebenen Bremskomponenten in der Fahrpraxis das halten, was ihre Hersteller im Werbeprospekt versprechen.

Kommentare
Kommentar von Thomas Jeswein am
Herzlichen Dank für diesen sehr informativen Beitrag!