Technik
Wave-Bremsscheiben im Automobil
Neu ist das nicht, was vom VW-Konzern im aktuellen Audi RS 4 Avant und einigen anderen Sportmodellen präsentiert wird: Wave-Bremsscheiben. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Wave-Bremsscheiben auch im Automobil eingesetzt werden. Den Namen erhielten diese Bremsscheiben aufgrund ihres charakteristischen wellenförmigen Scheibenrandes. Doch wo liegen die Vorteile dieser neuen Bauform, wo die Nachteile? AT-RS, Ihr Fachanbieter für Bremstechnik, hat sich die Wave-Bremsscheiben näher angesehen.
Die Bremse als Bestandteil des Fahrzeugdesigns
Bei dieser Betrachtung muss im Hinterkopf behalten werden, dass sich gerade durch das Größenwachstum der Felgen in den letzten Jahren neue technische Möglichkeiten ergeben haben. So sind beispielsweise aufwändige, teure Mehrkolbensättel jetzt viel einfacher verbaubar, schlichtweg weil die größeren Felgen mehr Handlungsspielraum bieten. Dabei sind jedoch nicht nur die technischen Vorteile von Belang, sondern gleichermaßen optische. Denn mit diesen größeren Felgen lassen sich Bremsanlagen selbst mit montiertem Rad gut von außen bestaunen.
Das hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren auffällige Bremsanlagen mit grell lackierten Bremssätteln in Sportfahrzeuge (und solche, die sich dafür halten) Einzug gehalten haben. Der Audi RS 4 Avant, durchaus als Sportfahrzeug ernstzunehmen, verfügt nun an der Vorderachse sogar serienmäßig über solche Wave-Bremsen. Hinter den geschmiedeten Leichtmetallrädern im Format 18 Zoll beziehungsweise auf Wunsch 19 oder 20 Zoll sind die Wave-Bremsen so gut sichtbar, das sie durchaus als integraler Bestandteil des Fahrzeugdesigns gelten können. Natürlich sind die Bremsscheiben innenbelüftet und zusätzlich gelocht. Technisch sinnvoll ergänzt und geschmückt werden die Wave-Bremsscheiben beim RS 4 Avant durch Bremssättel mit je acht Kolben an der Vorderachse.
Vorteile

Quelle: Audi
Tatsächlich hat das Wave-Bremsscheibendesign schon vor einigen Jahren bei Mountainbikes und Motorrädern Einzug gehalten, die zum großen Teil im Gelände gefahren werden. Dabei wirkt der geschwungene äußere Schreibenrand wie eine Schaufel, die Schlamm aus dem Bremssattel baggert und wegschleudert. Das funktioniert in der Praxis gut. Damit ist auch klar, warum diese Entwicklung aus dem Geländesport kommt – und auch nur dort so richtig vorteilhaft ist.
Ein weiterer, kleiner Vorteil dürfte sein, dass durch den schnellen Wechsel der Größe der Oberfläche, auf der die Bremsbeläge aufliegen, eine bessere Dosierbarkeit (Modularität) möglich wird. Die permanente Änderung der Kontaktfläche zwischen Bremsbelägen und Wave-Scheibe reduziert damit nämlich das Festfressen der Beläge. Mit anderen Worten: Das Problem „klebender“ Belege dürfte sich damit tatsächlich etwas reduzieren.
Doch schon bei der weiteren Argumentation der Hersteller bzw. Anbieter dieser neu designten Bremsscheiben wird offensichtlich, dass es für diese Bauform kein „Killerargument“ gibt. Vielmehr sind es einige kleinere Vorteile, die sich summieren. So ist weiterhin unbestreitbar, dass die Randoberfläche durch die Wellenform wächst, wodurch mehr Wärme abgestrahlt werden kann. Dies soll bewirken, dass sich die Wave-Bremsscheibe gleichmäßiger ausdehnt und sich bei Höchstbelastung weniger verformt.
Nachteile
Dass die Oberflächen der Bremsbeläge bei einer Wave-Bremsscheibe gleichmäßiger abgerieben werden, mag indes überhaupt nicht einleuchten. Fakt ist, dass sich bei gleichem Durchmesser die nutzbare Reibfläche der Bremsscheibe verkleinert. Dabei ist es so, dass sich der durch die reduzierte Auflagefläche erhöhte Druck eher negativ auf das Verschleißverhalten auswirken dürfte. Hinzu kommt: Die Bremsbeläge streifen am Wellenrand permanent über ein offenes Profil – eine Tatsache, die Verschleiß normalerweise deutlich fördert.
Auch das reduzierte Gewicht und die geringeren ungefederten Massen der Wave-Bremsscheiben sind kaum als echtes Argument zu werten, denn zu gering fällt die Gewichtsersparnis aus. Konkreter ausgedrückt: Die vernachlässigbare Reduzierung der ungefederten Massen wird weder den Federungskomfort noch die Kreiselkräfte am Vorderrad spürbar beeinflussen. Gerade angesichts der zum Teil kuriosen Bauformen von Wave-Bremsscheiben, wie sie für Motorräder angeboten werden, darf dieses Argument ohnehin bezweifelt werden. Hier scheint lediglich das Design im Vordergrund zu stehen und keineswegs eine unter technischen Gesichtspunkten sinnvolle Gewichtsersparnis.
Alternativen beim Audi RS 4 Avant

Uns scheint von allen Argumenten das zuerst abgehandelte das einzig einleuchtende zu sein: das Herausbaggern von Schlamm bei Geländefahrt. Schließlich erklärt dieses Argument auch, warum die Wave-Bremsscheibe ursprünglich aus dem Geländerennsport stammt. Doch eigenartigerweise finden sich die Wave-Bremsscheiben beim Automobil bislang nur bei hochpreisigen Sportwagen mit großen und übergroßen Felgen, bei denen die Optik der Wave-Bremsscheiben gut zur Geltung kommt – aber gerade nicht bei Geländefahrzeugen, wo es doch eigentlich sinnvoller wäre.
So gilt unserer Meinung: Dass solch eine Wave-Bremsscheibe gegenüber einer herkömmlichen Bremsscheibe deutlich hübscher und richtig nach High-Tech aussieht – nun, das lassen wir unbestritten. Unterm Strich muss die Wave-Bremsscheibe jedoch für Straßenautomobile aufgrund ihrer fehlenden greifbaren Vorteile mit Vorbehalt betrachtet werden. Eher wirkt das aktuelle Marketinggetöse um die Wave-Bremsscheibe wie „das Treiben einer neuen Sau durch das Dorf“, das einerseits den Designern eine interessante Spielwiese eröffnet, gleichzeitig dem Zubehörhandel ein neues, lukratives Geschäftsfeld beschert.
Audi-Kunden bietet sich jedoch eine Alternative: Wem die serienmäßige Wave-Bremsscheibe an seinem Audi RS 4 Avant nicht gefällt, der hat immer noch die Möglichkeit, sich gegen einen Aufpreis von 6.000 Euro eine Bremsanlage mit Bremsscheiben aus Kohlefaser-Keramik verbauen zu lassen. Aber da sind wir ja schon wieder bei einem ganz anderen Thema ...
