Siedepunkte von Bremsflüssigkeiten
Um die Siedepunkte besser zu verstehen, muss erst einmal die Funktion der Bremsflüssigkeit transparent werden. Sie hat die Aufgabe, die erzeugte Pedalkraft auf die Radbremsen zu übertragen. Der Hauptbremszylinder wandelt die Fußkraft in hydraulischen Druck um, welcher über Bremsleitungen und Bremsschläuche zu den Radbremszylindern gelangt. Als Übertragungsmedium dient die Bremsflüssigkeit. Außer, dass sie für Gummimanschetten und Dichtungen unbedenklich sein muss, besteht ihre Aufgabe darin, das Bremssystem vor Korrosion zu schützen und bei jeder Betriebstemperatur viskositätsstabil zu bleiben.
Die beim Bremsenvorgang erzeugte Wärme, der Abbau von Bewegungsenergie in Wärmeenergie, geht zum Teil auf die Bremsflüssigkeit über, die aufgrund der hohen Temperaturen, im Extremfall, ihre Siedetemperatur erreichen kann. Die Bremsflüssigkeit "kocht". Siedende Bremsflüssigkeiten entwickeln Dampfblasen, die sich zusammendrücken lassen (komprimieren). Sie sind der Grund dafür, dass der Bremsdruck nachlässt, er verpufft in den Dampfblasen und erreicht nicht mehr die Radbremszylinder. Am Pedal macht sich die Dampfblasenbildung durch einen verlängerten Bremsweg bemerkbar, der im Extremfall bis zum Bodenblech reicht und keine Bremswirkung mehr erzeugt. In diesem Fall hilft schnelles, vermehrtes Pumpen am Bremspedal, bis sich wieder ein Druckgefühl einstellt.
Aus diesem Grund sind die Siedepunkte von Bremsflüssigkeiten sehr wichtig. Er wird zwischen dem "trockenen" und dem "nassen" Siedepunkt unterschieden.
"Trockene" Bremsflüssigkeit ist Bremsflüssigkeit im Neuzustand, in einem luftdicht versiegelten Gebinde ohne eingedrungene Feuchtigkeit. Je nach DOT-Kennung liegt der trockene Siedepunkt bei ca. 240- 280 Grad Celsius.
Da Bremsflüssigkeiten hygroskopisch sind, nehmen sie aus ihrer Umgebung, insbesondere über die Bremsschläuche, Feuchtigkeit auf. Mit steigendem Feuchtigkeits- /Wasseranteil sinkt der Siedepunkt. Bei einem Wassergehalt von 3,5 % in der Bremsflüssigkeit spricht man vom Nasssiedepunkt. Ist diese Grenze erreicht, muss die Bremsflüssigkeit ausgetauscht werden.
Das heißt: Nasser Siedepunkt = Temperatur bei der die Bremsflüssigkeit anfängt Dampfblasen auszubilden, wenn sie mit einer bestimmten Feuchtigkeitsmenge angereichert ist.
Die Mindestanforderungen an Bremsflüssigkeiten sind genormt. Die verschiedenen Ausführungen sind mit der Kennung DOT 3, DOT 4, DOT 5 und DOT 5.1 klassifiziert. Die Mindestanforderungen stammen aus den USA und wurde vom United States-Department of Transportation (DOT) anhand der Norm FMVSS (Federal Motor Vehicle Safety Standard) 116 definiert. Die Klassifizierung bezieht sich auf die vorhandenen Nass-Trockensiedepunkte und die Viskosität.
DOT 3 Bremsflüssigkeiten sind noch in älteren Fahrzeugen zu finden und verlieren immer mehr an Bedeutung. Sie dürfen nicht mit anderen DOT-Klassen gemischt werden.
DOT 4 haben einen höheren Siedepunkt und werden heute in vielen Fahrzeugmodellen eingesetzt, die mit ABS oder ESP Bremssystemen ausgestattet sind. Zusätze wie "Plus", "Pro" oder "HP" weisen auf eine geringere Viskosität hin.
DOT 5 basiert auf einer Bremsflüssigkeit auf Silikonbasis und wird häufig in den Bremsen amerikanischer Fahrzeugen verwendet.
DOT 5.1 ist auf mineralischer Basis hergestellt (Glykolbasis). Sie ist mit den Klassen DOT 3 und DOT 4 kompatibel und verfügt über ein hervorragendes Wasserbindevermögen, was den Abfall des Siedepunktes minimiert. Diese Bremsflüssigkeit eignet sich besonders für extreme Einsatzbedingungen und den sportlichen Fahrer.